Für die hohe Nutzung von motorisiertem Individualverkehr gibt es mehrere Gründe. Der erste Grund ist die Verstädterung – sie liegt in Deutschland deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. Urbanisierung und Landflucht lassen die Bevölkerung in den Ballungsräumen wachsen, und wo es viele Menschen gibt, gibt es auch viel Verkehr.

Der zweite Grund ist die stetig steigende Zahl der Berufspendler. Zum Teil ergibt sich der zweite Grund als Folge der Verstädterung, denn die bringt steigende Mieten und Immobilien Kaufpreise mit sich. Diese zwingt viele Arbeitnehmer dazu, in die Randbereiche der Großstädte auszuweichen, von wo aus der Weg zur Arbeit länger ist. Folge: zunehmender Pendelverkehr. Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung gab es im Jahr 2000 deutschlandweit noch 14,9 Millionen Pendler – im Jahr 2018 waren es bereits 19,3 Millionen. Laut Zukunftsprognose wird die Zahl noch weiter zunehmen: Allein für München rechnet der MVV bis zum Jahr 2025 mit über 4 Millionen Pendlern.

Der dritte Grund ist ein boomender Städtetourismus. Seit 2010 sind die Beherbergungszahlen in deutschen Städten kontinuierlich angestiegen; Deutschland steht im europäischen Städtetourismus-Ranking inzwischen auf Platz 1.

Zusammengefasst: Es gibt mehr Städter, mehr Pendler und mehr Touristen – und sie alle fahren am liebsten mit dem Auto.

Verkehrsmittelnutzung in Deutschland: Noch liegt das Auto vorn

Das Auto ist hierzulande Verkehrsmittel Nr. 1 – das belegen regelmäßig die Mobilitätsstudien des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur. Die drei letzten Studien (2002, 2008 und 2017) zeigten bei den mit dem PKW zurückgelegten Wegen praktisch keine Veränderung. Im Wesentlichen liegt das an der deutschen Neigung zur Bequemlichkeit: Selbst für kurze Strecken wird gern das Fahrzeug genutzt. Fast zwei Drittel aller PKW-Fahrten im Alltagsverkehr sind kürzer als zehn Kilometer, jede zehnte Fahrt ist sogar kürzer als ein Kilometer. Hinzu kommt, dass die Automobilität in Deutschland in viel höherem Maße kulturell verankert ist als anderswo auf der Welt. Hierzulande ist Autofahren nicht nur Distanzüberwindung, sondern auch gesellschaftliche Interaktion – das Auto dient dazu, sich sozial zu definieren und auszudrücken. Der große Marktanteil schwerer Geländewagen spricht eine deutliche Sprache. Zudem ist sowohl die Straßenverkehrsordnung als auch der bisherige Städte- und Verkehrswegebau in Deutschland auf die Dominanz des Verkehrsmittels Auto ausgerichtet. Dennoch zeichnet sich ein Wandel ab.

Veränderung in Sicht

Mit wachsendem Umweltbewusstsein und angesichts der immer prekärer werdenden Verkehrsprobleme beginnen wir, das Auto neu zu interpretieren. Die jüngere Generation sieht es nicht mehr als Statussymbol an; sie demonstriert ihren Status lieber über digitale Selbstinszenierung und über ihren Lebensstil, wie etwa bewusstes Ernährungsverhalten, sportliche Aktivitäten und faire Mode. Das Auto betrachtet sie nur als Baustein einer Mobilitätsmatrix, die außer aus dem ÖPNV aus Dingen wie Car- und Bike-Sharing und Fahrgemeinschaftenbildung besteht. Kein Wunder: In einer Zeit, in der der überbordende Verkehr das Vorankommen für jedermann gleich schwierig macht, verlieren Autobesitz und Motorleistung an Relevanz. Was zählt, ist nur der schnelle und unkomplizierte Transfer von A nach B – und dieser lässt sich am besten mit multimodaler und intermodaler Mobilität realisieren.

Multimodale Mobilität vs. intermodale Mobilität

Multimodale Mobilität ist kein neuartiges Phänomen. Der Begriff bezeichnet schlicht die Nutzung mehrerer verschiedener Mobilitätsformen. Berufspendler, die je nach Wetterlage mal mit dem Fahrrad und mal mit dem Auto zur Arbeit fahren oder mal mit dem Bus, wenn das Auto in der Werkstatt ist, sind multimodal mobil. Eine Sonderform der multimodalen Mobilität ist das intermodale Reisen: Sie bezeichnet die Nutzung mehrerer Verkehrsmittel für einen einzigen Transfer. Wenn also ein Pendler mit dem Auto zunächst zum Park-&-Ride-Parkplatz fährt, dort in die S-Bahn umsteigt und sich mit der Bahn zur Arbeitsstätte bringen lässt, ist er intermodal mobil.

Speziell die intermodale Mobilität ist auf dem Vormarsch, denn die Digitalisierung erleichtert die Verknüpfung von Verkehrsmitteln zu einer Mobilitätskette. Außerdem ergänzen neue Fahrzeuge wie etwa E-Bikes und City Scooter das Verkehrsmittelangebot.

War es noch vor wenigen Jahren höchst umständlich, einen Transfer auf verschiedene Transportmittel aufzuteilen, so ist das anno 2020 sehr einfach: Wer nach München oder nach Hamburg muss, kann mit dem Zug bis zum Hauptbahnhof fahren und dort spontan ein Auto oder Fahrrad mieten. Dank Vollvernetzung benötigt er dazu nur sein Smartphone und die App eines Mobilitätsanbieters.

grafik verschiedener transportmittel

Privat oder beruflich? Der Reisezweck ist wichtig für die Mobilitätsentscheidung

Je nachdem, ob ein Transfer privater oder beruflicher Natur ist, spielen für die Verkehrsmittelwahl unterschiedliche Kriterien eine Rolle. So ist bei beruflich motivierten Reisen der Faktor Zeit in der Regel wichtiger als der Faktor Kosten; bei privaten Reisen ist es eher umgekehrt. Auch der Faktor Effizienz fällt bei beruflichen Reisen stärker ins Gewicht: Ein Außendienstler, der mit Zug und Taxi reist, kann während der Fahrt arbeiten – ein autofahrender Außendienstler kann das kaum. Allerdings kann ein autofahrender Außendienstler, sofern er entsprechend vernetzt ist, unterwegs telefonieren und an Audio-Konferenzen oder Audio-Workshops teilnehmen (s. Tipps und Tricks für den Außendienst). Zudem ist er nicht an feste An- und -Abfahrtszeiten gebunden.

Beispiele für multi- und intermodale Mobilität

Die heute vorhandenen Möglichkeiten der multi- und intermodalen Mobilität lassen sich am besten anhand von exemplarischen Akteur-Szenarien darstellen.

Student

Der Student, der zentrumsnah in einer Universitätsstadt wohnt, will keine hohen Fixkosten für seine Mobilität haben – deswegen besitzt er kein Auto (aber einen Führerschein). Neben dem öffentlichen Verkehr nutzt er die Bike- und Car-Sharing-Angebote seiner Stadt, z. B. über Nextbike. Da er kommunikativ ist, nutzt er gern auch Ridesharing-Angebote, wie sie zum Beispiel der App-Dienst CleverShuttle organisiert.

Pendler

Der Arbeitnehmer, der im „Speckgürtel“ von Hamburg wohnt und im Stadtzentrum arbeitet, besitzt zwar ein Auto, pendelt wegen der verstopften Straßen aber lieber mit der S-Bahn zur Arbeit. Die drei Kilometer zwischen S-Bahnhof und Arbeitsstelle fährt er mit einem E-Roller. Da er pünktlich im Büro sein muss, hält er sich morgens mit seinem Smartphone und der DB-App Streckenagent bezüglich Störungen auf dem Laufenden. Bei Ausfällen im Bahnverkehr weicht er auf Car-Sharing oder auf ein Taxi aus. Einen Überblick über die Angebote verschafft ihm die Mobilitäts-App Moovel, mit der er außer auf die Leistungen der Deutschen Bahn auch auf den Car-Sharing-Anbieter ShareNow zugreifen kann. Auch Arbeitgeber können die Pendlersituation entlasten, indem sie einen Beitrag leisten, die Carpooling-Nutzung zu unterstützen. So können Unternehmen  beispielsweise für Carpools flexibles Parken ermöglichen oder einen Stellplatz vorhalten und so die Mitarbeiter zur Nutzung motivieren. Gleichzeitig können Firmen-Fahrräder oder E-Scooter für den Weg zu anderen Gebäuden bereitgestellt werden.  

e scooter

Außendienstler

Der Außendienstler ist fast ausschließlich mit dem Auto unterwegs – entweder mit seinem Firmenwagen oder (wenn er im Rahmen einer Geschäftsreise geflogen ist) mit einem Car-Sharing-Fahrzeug. Dank seiner Routenplanungssoftware Portatour verliert er kaum Zeit durch langes Im-Stau-Stehen, und dank diverser Smart-Parking-Apps wie PARCO ist ineffiziente nervenaufreibende Parkplatzsuche für ihn kein Thema mehr.

Tourist

Der Tourist ist viel in Deutschlands Städten unterwegs. Er reist stets mit dem eigenen Auto an, stellt es aber am Zielort bei einem günstigen Parkraumanbieter ab und bewegt sich in der jeweiligen Metropole mit öffentlichen Verkehrsmitteln fort. Der Grund: Er will im dichten Berufsverkehr einer ihm fremden Stadt keine wertvolle Besichtigungszeit verlieren. Da er offen für alle Verkehrsmittel ist, nutzt er verschiedene Mobilitäts-Apps, die ihn über alle verfügbaren Mobilitätsoptionen an seinem Standort informieren.

Fazit

Der Motorisierungsgrad in Deutschland ist hoch wie nie zuvor – zu hoch für die städtischen Verkehrsinfrastrukturen. Ziel muss es daher sein, den MIV in den Großstädten zu reduzieren. Das erfordert einen Paradigmenwechsel: Die Fokussierung auf das Auto als Hauptverkehrsmittel muss aufgelöst werden. Das ist nicht so einfach, denn das Mobilitätsverhalten im Ursprungsland des Automobils ist seit weit über 100 Jahren vom Konzept des Besitzen und Nutzen des Autos geprägt. Zwar ist die junge Generationen nicht mehr so stark auf das Auto fixiert wie ihre Vorgänger Generationen, aber dieses Phänomen darf man nicht überschätzen. Der Mobilitätswandel setzt nur langsam ein. Und er wird umso besser gelingen, je mehr dem Bedürfnis des Verbrauchers nach Bequemlichkeit Rechnung getragen wird. Zum einen müssen genügend Alternativen zum Auto – wie Carpooling-Angebote, E-Roller, E-Scooter, Leihfahrräder usw. – vorhanden sein, zum anderen muss leicht auf diese zugegriffen werden können. 

Schon einige Unternehmen beschäftigen sich mit dem Bündeln von Mobilitätsangeboten, darunter Big Player wie Daimler, BMW oder die Deutsche Bahn. Erfasst werden Fernbus, Bahn, ÖPNV, Carsharing, Mietwagen, Mietfahrrad und Taxi. Allerdings sind diese noch nicht für alle Städte verfügbar, und sie konzentrieren sich bevorzugt auf die Dienste der dahinterstehenden Konzerne. Mit Bündelungen, die wirklich alle denkbaren Optionen intelligent einklammern, sind bislang nur Startups befasst. Immerhin: Der Stein ist ins Rollen gebracht – und in ein paar Jahren werden wir uns möglicherweise fragen, warum wir früher so oft und so lange unnötig im Stau standen.

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Quellen: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Urbanisierung#Situation_in_Deutschland

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/mehr-pendler-101.html

https://www.deutschertourismusverband.de/fileadmin/Mediendatenbank/Bilder/Presse/Presse_PDF/ZDF_2018_Web.pdf

http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/pdf/infas_Mobilitaet_in_Deutschland_2017_Kurzreport_DS.pdf

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.call-a-bike-flinkster-co-deutsche-bahn-buendelt-mobilitaetsdienste.ce544ea2-7ed0-4aa1-95b1-b5e861a31206.html

alle Quellen wurden am 18.02.2020 abgerufen.